Vertretung im Notarztdienst bleibt umsatzsteuerfrei
Die Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes durch einen anderen Arzt bleibt auch dann nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei, wenn die Leistung nicht unmittelbar gegenüber Patienten oder Krankenkassen erbracht wird. Entscheidend ist der therapeutische Zweck – nicht der Rechnungsempfänger.
- Hintergrund und Streitfall
Ein niedergelassener Arzt übernahm in den Streitjahren regelmäßig notärztliche Sitz- und Fahrdienste in Vertretung für andere zur Notfalldienstleistung eingeteilte Ärzte. Er stellte den Vertretenen hierfür Beträge ohne Umsatzsteuerin Rechnung – und führte die Notfalldienste eigenverantwortlich durch. Die tatsächliche Abrechnung der im Einsatz erbrachten Behandlungen erfolgte über die Kassenärztliche Vereinigung (bei gesetzlich Versicherten) bzw. direkt gegenüber den Privatpatienten.
Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Zahlungen der vertretenen Ärzte keine steuerfreien Heilbehandlungen darstellten. Das Finanzgericht bestätigte dies – es handele sich lediglich um eine entgeltliche Freistellung, nicht um eine heilbehandelnde Tätigkeit.
- Entscheidung des BFH: Heilbehandlung liegt vor
Der BFH widerspricht dieser Sichtweise und stellt klar:
- Die Einsatzbereitschaft und tatsächliche Notfallbehandlung durch den vertretenden Arzt erfüllt die Merkmale einer Heilbehandlung i.S.d. § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG.
- Nicht entscheidend ist, wer die Leistung vergütet – sondern ob die Tätigkeit einen therapeutischen Zweck erfüllt.
- Auch wenn die Zahlung durch den vertretenen Arzt erfolgt, liegt der Fokus auf der tatsächlichen Erbringung notfallmedizinischer Leistungen.
- Die Vertretung führt daher zu einer steuerfreien Heilbehandlung – unabhängig davon, ob der Vertreter letztlich durch einen Patienten in Anspruch genommen wurde oder nicht.
Der BFH verweist ergänzend auf sein früheres Urteil vom 02.08.2018 (V R 37/17), in dem ebenfalls die Einsatzbereitschaft eines Arztes als umsatzsteuerfreie Leistung eingestuft wurde.
- Praxisrelevanz für Steuerberater
- Rechnungserstellung: Auch bei Vertretungen im ärztlichen Notdienst kann – sofern der Vertreter die Leistung selbst ausführt – ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden, wenn die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfüllt sind.
- Empfängerfrage unerheblich: Es kommt nicht darauf an, ob Patient oder Kollege die Leistung vergütet – maßgeblich ist allein der medizinisch-therapeutische Zweck.
- Korrektur falscher Umsatzsteuerbehandlung:Mandanten, die solche Vertretungsleistungen bislang als steuerpflichtig deklariert haben, sollten eine Überprüfung und ggf. Berichtigung in Erwägung ziehen.
- Grenzen der Steuerfreiheit: Leistungen, die eindeutig nicht therapeutisch sind (z. B. Blutentnahmen im Auftrag der Polizei), bleiben steuerpflichtig, wie im Urteil nebenbei klargestellt wurde.
- Fazit
Der BFH stärkt mit dieser Entscheidung die steuerliche Stellung von Ärzten im Notfalldienst. Für die Umsatzsteuerfreiheit kommt es nicht auf den Leistungsempfänger, sondern auf den Inhalt und Zweck der Leistung an. Steuerberater sollten bei der Mandatsbetreuung ärztlicher Kollegen genau prüfen, ob Vertretungsleistungen in diesem Rahmen als steuerfreie Heilbehandlungen einzuordnen sind.

